Martin Walser, augenbrauenstarker Groß-Schriftsteller, der im langen Schriftsteller-Leben mit DKP-Anhängerschaft und "Auschwitz-Keule" schon gewagte politische Exkurse unternommen hat, ist auch im Alter von 86 Jahren noch zu (kleinen) Provokationen bereit. In seinem neuen Roman "Die Inszenierung" (rowohlt), den er im Literaturhaus Nürnberg vorstellte, versucht er einerseits ein wortmächtiges Plädoyer für die offene Dreierbeziehung und gegen den absoluten Besitzanspruch eines Liebenden. So klagt der Protagonist, der berühmte Theaterregisseur Augustus Baum, seine beiden Frauen der "Herrschsucht der Liebe" an: "Ihr versprecht dem Mann den Himmel, wenn er sich euch unterwirft. Und ihr überzieht ihn mit der Hölle, wenn er sich euch nicht bedingungslos unterwirft." Man kann den kurz(weilig)en Roman aber auch als Satire auf den Theaterbetrieb und auf die liebessüchtigen Regie-Superstars (unwillkürlich denkt man an Bertolt Brecht oder an George Tabori) lesen. Gesellschaftskritik steht allerdings nicht mehr auf Walsers Agenda und so wirken manchen Dialog-Passagen im ersten Moment banal (ausführliche Kritik im Lese.Protokoll).
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