S.KULTUR


***** hervorragend   **** besuchenswert   *** Licht und Schatten

** nur bedingtes Vergnügen   * besser nicht hingehen


XX Lucky, Lichtenfelser Str. 2a, 90427 Nürnberg-Boxdorf **

 

Früher - lang ist's her - reiste die Familie in Wanderkluft am Sonntag mit der Bimmelbahn in die Fränkische Schweiz und zwischen zwei moderaten Spazier-Etappen besuchte man einen Landgasthof, der mit preiswertem Schweinebraten und Klößen aufwartete.

Heute setzt sich die Familie mit Oma, Jogginghose, Baseball-Cap und Schlabber-T-Shirt in den Mitsubishi, fährt ins Gewerbegebiet Boxdorf, um dort nach dem Schlaf bis Mittag und vor dem Tatort ein chinesisch-mongolisches Büffet abzuarbeiten.

Im ersten Stock idyllisch gelegen zwischen Drogeriemarkt dm und Dänischem Möbellager findet sich das verlockende Angebot von XX Lucky - und wer Glück hat, sieht von seinem Platz aus sogar noch die grüne Scholle des Knoblauchslandes.

Im XXL-Restaurant herrscht dementsprechend eine lebhafte Atmosphäre, gemischt aus Kindergeburtstag, Möbelhaus-Schlussverkauf und AIDA-Kreuzfahrt-Buffet. Für 15,90 € (am Abend) können Erwachsene das gnadenlos sättigende All-you-can-eat-Programm durchziehen. Auf vier massiven Büffet-Blöcken findet man eher lieblose Vorspeisen (z. B. brottrockene Sushi-Rollen), die Klassiker der China-Küche in Warmhalte-Trögen, ein Sortiment aus Fleisch- und Fischfiletstücken, die man dem mongolischen Griller weiterreichen darf und ein Dessert-Arrangement, das natürlich auch typisch-asiatisches Tiramisu enthält.

Irgendein kluger Psychologe hat einmal gesagt, dass mit der Globalisierung die Zerstörung der sozialen Zusammenhänge einhergehe. Das zumindest ist hier nicht zu beobachten: die Familie fährt satt und zufrieden nach Hause.


La Trat-Toria, Zerzabelshofstr. 60, 90480 Nürnberg ***

 

Für lange Jahre bekannt als „Barcarole“ hat das Restaurant in der Zerzabelshofstraße nun den Pächter gewechselt, wurde kräftig modernisiert und tritt nun als „La Trat-Toria“ in Erscheinung. Die neuen Chefs wollen den Italiener nicht neu erfinden und konzentrieren sich auf ausgesprochen knusprige Holzofen-Pizzas mit einer noch akzeptablen Größe (40 cm Durchmesser) sowie auf eine Reihe von traditionellen und auch neu komponierten Pastas. Auf der Schiefertafel fanden wir aktuell Fettucine mit Garnelen und Artischocken (12,50 €), eine gut ausgewogene Komposition, allerdings nicht mit den Original Fettucine-Nudeln sondern eher mit breiten Bandnudeln. Die Pizza Salsiccia Picante (8,50 €) bot einen wirklich knusprigen Boden, offerierte aber unter dem Käse eher eine scharfe Salami und keine echte Salsiccia. Der Vorspeisenteller a la casa (8,50 €) reicht für zwei Personen, wenn man sich danach noch eine Pizza teilt, war aber insgesamt etwas wurstlastig. Für ein Dessert - es gibt die bekannten Klassiker zu moderaten Preisen - hat unser Hunger nicht mehr gereicht, für einen Grappa aufs Haus aber sehr wohl. Alles in allem ein angenehmes Ambiente, ein bemühtes, freundliches Team, allerdings ohne große kulinarische Ambitionen. Für das schnelle Mittagessen  gibt es ein Pizza- und Pasta-Sonderangebot zu 5,00 €. Wenn die Zeit reicht, sollte man auch noch den Rechtschreibfehler auf der Homepage www.la-trat-toria.de („Geniesen Sie“!) korrigieren und sich einen besseren Hauswein (rot) leisten.


Kulinarreteien x 2

Von zwei fränkischen kulinarischen Verirrungen ist hier zu sprechen: beide fangen mit einem harten "B" an und erfreuen sich beim geneigten Verzehr-Publikum großer Beliebtheit - die Rede ist von "Palazzo" und von "Baggers".

Die unterschiedliche Richtung der Verirrung zeigt sich beim einen (Palazzo) als (möglicherweise unbeabsichtigte) Abwertung. Ein an und für sich sehr ordentliches kulinarisches Angebot wird dadurch dekuvriert, dass man es in Hetze und gedrängter Zeit zu sich nehmen muss, dass man zum lästigen Multitasking zwischen Würdigung der Geschmacksnerven und einem akustisch/visuellen Dauerfeuer aus Comedy-Quatsch, Gliederverrenkung und Zauber-Kokolores gezwungen wird. Es scheint, als habe der Theater-Direktor aus Goethes "Faust"-Vorspiel die Parole verkündet: "Gebt nur mehr und immer, immer mehr … sucht nur die Menschen zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer."

Einen anderen Irrweg geht die Event-Lokalität namens "‘s Baggers", nämlich den der vermeintlichen Aufwertung. Ein äußerst dürftiges kulinarisches Angebot (vorsichtig formuliert!) wird dadurch aufgepimpt, dass die Speisen topfweise auf kleinen Achterbahn-Schienen an die Tische katapultiert werden und dass man seine Essenswünsche an einem Tablet-Computer eintippen kann. Angesichts dieser technologischen und logistischen Effekte scheint der Gast zu übersehen, dass er mit bescheidener Convenience- und Fast-Food-Kost abgespeist wird, wie sie sonst nur noch in schlechten Autobahn-Gaststätten oder Seniorenheim-Kantinen zu finden ist.

Gemeinsam ist den beiden Kulinarreteien die fränkelnde Anbiederung auf der Speisenkarte, obwohl das gebotene Essen meilenweit von ehrlicher regionaler Küche entfernt ist, und die innenarchitektonische Zumutung, die als Ambiente eigentlich abschreckend wirken müsste. Alexander Herrmanns "Palazzo" präsentiert sich als plüschige Mischung aus Edel-Puff und Wanderzirkus, das Lokal "‘s Baggers" - idyllisch gelegen in der Industriebrache zwischen Nürnberg und Fürth - hat den diskreten Resopal-Charme einer Mitropa-Gaststätte oder einer billig renovierten Fabrikhalle.

Dass man in beiden Fällen zu viel Geld für zu wenig Qualität oder für zu wenig kulinarische Konzentration ausgeben muss, rundet den traurigen Gesamteindruck ab.